Gran Stelvio oder 4500 Höhenmeter

Gereizt hätte mich der Stelvio Marathon ja schon. Doch von Anfang an war klar, dass ein Bergmarathon zwei Wochen vor Roth ein Unding ist. Aber zum radeln und zuschauen mitfahren, das war eine gute Option. Das Stilfserjoch mit Rad fehlte mir ja eh noch auf meiner Liste. Jürgen machte mich dann ein paar Tage vorher noch auf etwas Verrücktes aufmerksam. Beim Gran Stelvio fährt man den Pass nicht nur von Prad hoch, sondern auch von Bormio auf der anderen Seite. Und weil man von der Schweiz über den Umbrailpass auch noch nach oben kommt, muss man den auch noch fahren. 120 Kilometer mit 4500 Höhenmeter bekommt man so zusammen. Puh. Aber was solls?

Drei Tage vorher wurde mir dann plötzlich bewusst, was auf meinen Rennrädern übersetzungsmäßig so montiert ist. 39/25 auf dem Schlechtwetterrad, 36/25 auf dem Sonntagsrad und das Zeitfahrrad schied eh aus. Alle gut für die heimische Mittelgebirgslandschaft, aber mehrere Stunden bei 8 Prozent und mehr? Schnell bestellte ich Mittwoch noch eine 29er Kassette, die natürlich nicht mehr rechtzeitig ankam. Der Ritzelrechner meinte dann, dass die 44/32 auf dem Crosser doch noch ein wenig leichter wären und so schraubte ich da noch schnell Rennradpedale an und baute die Straßenlaufräder ein.

Begeistert war ich von unser Unterkunft kurz nach dem Reschenpass. Auf meine Frage, wo ich denn das Rad über Nacht einsperren könnte, kam folgende Antwort: “Wenn Sie wollen, können Sie es gerne mit hoch nehmen”. Sowas hört man doch gerne. Im großen Zimmer war dann auch reichlich Platz. Was möchte man mehr? Achja – Pizza. Die gab es schräg gegenüber. Perfekt.

Während am Morgen die Läufer Sabine, Helga und Roland in Prad die letzten Startvorbereitungen trafen, machte ich mich auf die Suche nach meiner Stempelkarte, die es im Hotel Zentral geben sollte. Dort gingen zwar schon Läufer aus und ein, doch die Rezeption wurde erst um 7:30 Uhr besetzt. Also für einen Cappucino ins Cafe gegenüber. Um 7:45 Uhr konnte ich dann starten, während es an der Startlinie schon unruhig wurde.

24 Kilometer bis zum Stelvio zeigte das Straßenschild am Ortsende. Von den 1800 Höhenmetern stand da nichts. Aber bei durchschnittlich 8 Prozent Steigung ließ sich das Ganze angenehm kurbeln. Mit frischen Beinen brauchte ich meistens noch nicht mal den ersten Gang. Zwischen Kehre 35 und 30 wurde es kurz mal ein wenig steiler. Nach 2:20 h erreichte ich den Pass zum ersten Mal. Ab der Hälfte hörte auch der Verkehr auf, Straßensperre für den Lauf war nämlich ab 8:30 Uhr.

Oben hielt ich mich gar nicht weiter auf, wunderte mich nur, dass auf der anderen Seite so viele Radfahrer nach oben kamen. Aber klar, wenn der Pass auf der einen Seite eh gesperrt ist, warum nicht auf der anderen Seite auch gleich ein Event veranstalten? Zuerst vereinzelt, dann in Horden kamen mir Radler entgegen. Die rechneten natürlich nicht mit Gegenverkehr und so war an eine flotte Abfahrt nicht zu denken. Da es noch recht kühl war, machte mir das aber auch nichts aus. So benötigte ich 40 Minuten für die Abfahrt.

In der Bar da Stefy sollte es dann den zweiten Stempel geben. Doch scheinbar war ich wohl in diesem Jahr der erste Fahrer, denn die Suche nach dem Stempel dauerte ein wenig. Das Stempelkissen war gar nicht auffindbar. Kurzerhand rannte die Besitzerin davon und die Mitarbeiterin erklärte mir, ich solle ein paar Minuten warten. So trank ich Cappucino #2 in der warmen Morgensonne. Bei der zweiten Auffahrt überholte ich dann ständig Nachzügler des Radevents. Für die hatte man praktischerweise Schilder aufgestellt, die die Entfernung zur Passhöhe und die Durchschnittssteigung für den nächsten Kilometer angaben. So blieben böse Überraschungen aus, steiler als 10 Prozent wurde es auch hier nur zweimal für ein paar Meter. Wer der Veranstalter des Rennens war und wo das Ganze startete, fand ich im Nachhinein leider nicht heraus. Beim Downhill hatte ich schon eine Verpflegungsstelle auf zwei Drittel der Passhöhe gesehen, die ich nun kurzerhand anfuhr um meine Flaschen zu füllen. Mit ein paar geschnorrten Gummibärchen stärkte ich mich für die letzten Höhenmeter. Während die anderen danach direkt nach oben fuhren, bog ich nach links ab und erreichte nach ein paar Metern den Umbrailpass bzw. die Grenze zur Schweiz.

Die Abfahrt nach St. Maria ist relativ unspektakulär. Erst gegen Ende hat man einen schönen Blick ins Müstairtal. Im Hotel Alpina holte ich mir den nächsten Stempel ab und bestellte Cappucino #3. Dazu gab es ein Radler für zusammen 9,60 Franken. Schweiz halt. Die ersten Meter zum Umbrail hatten es trotz Stärkung dann gleich mal in sich. Überhaupt ist die ganze Auffahrt zum Umbrail im Schnitt 2-3 Prozent steiler als die Kletterei zuvor. Mit bereits über 3000 Höhenmetern in den Beinen wünschte ich mir nun auch einen Gang mehr. Immerhin gab es zwischendurch kurze Flachstücke. Leider war auch die Straßensperre mittlerweile vorbei und so kamen von oben die Shuttlebusse mit den Läufern, sowie von hinten Touris in Autos und stinkende Motorräder ohne Abgasreinigung.

Am ebenen Grenzübergang ein kurzes Beine lockern und ich konnte die letzten drei steilen Kilometer mit 280 Höhenmetern in Angriff nehmen. Noch immer waren Fahrer mit Startnummern unterwegs. Mit ihnen fuhr ich durch den Zielbogen, was ein netter Abschluss der Kletterei war. Halligalli am Pass, Radler und Läufer begossen zusammen auf der Passhöhe ihre Leistungen.

20 Minuten sah ich mir den Trubel an und genehmigte mir eine Cola. Wohl wissend, dass kein Berg mehr kommen würde, schwang ich mich wieder in den Sattel und genoss die letzte Abfahrt. So erreichte ich das Hotel Zentral nach 7:38 h Fahrzeit zum zweiten Mal und drückte nach 120 Kilometern und 4500 Höhenmetern auf den Stopp-Knopf meiner Garmin Fenix.

Fazit: Eine superschöne Tour, die ich am Wochenende aber wirklich nur fahren würde, wenn die Passtraße für den Verkehr gesperrt ist. Am besten hat mir die Auffahrt von Bormio aus gefallen, spektakulärere Fotos bekommt man natürlich auf der südtiroler Seite. Die Variante von der Schweiz über Umbrail muss man nicht unbedingt fahren.

Meine Tour auf Strava

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