Bericht: Thüringen erfahren

Frank Bueltge kenne ich schon seit einigen Jahren, wobei “kennen” der falsche Begriff ist. Wer irgendwas mit WordPress macht, stolpert früher oder später über seinen Namen und seine Seite. Nun, dieser Frank Bueltge ist auch Radfahrer und organisiert “Thüringen erfahren” – eine Radfahrt über 500 km durch Thüringen mit unzähligen Höhenmetern. Die hatte ich mir im letzten Jahr schon vorgenommen. Da spielte aber das Wetter nicht mit und ich reiste gar nicht an. Aus bekannten Gründen wäre die diesjährige Ausführung fast wieder den Umständen zum Opfer gefallen. Doch zu guter Letzt waren da vor Ort gut 20 Namen auf der Starterliste.

Im Vorfeld hatte ich mir schon so meine Gedanken gemacht, wie ich das angehen solle. Durchfahren im Randonneur-Stil oder doch Übernachtungen einplanen? Als Karina dann als Mitfahrerin feststand, war die Entscheidung getroffen, nur im Hellen zu fahren. Schließlich möchte man ja auch was von der Gegend sehen. Der “offizielle” Start war Samstag um 11 Uhr und somit blieben 10 Stunden Zeit bis zur Dunkelheit. Eisenach bot sich als Zwischenziel an, da es danach mit buchbaren Unterkünften erstmal recht mau aussah. OK, echte Bikepacker schlafen am Wegesrand, bei angesagten Nachttemperaturen um 5 Grad zogen wir ein Hotelbett vor. 230 km mit 2700 Höhenmeter also, auf dem Papier recht easy.

Nach einer Stunde Fachsimpelei mit Kuchen ging es pünktlich los. Bereits nach ein paar Metern war die schnelle Sportfraktion vorne weg und wir in der zweiten Gruppe. Ab km 10 fuhren wir dann allein. Vorbei an Weimar und hinauf zur KZ-Gedenkstätte Buchenwald. Bis km 90 kam der Wind nun stetig von vorn oder seitlich von vorne.

In Bad Frankenhausen wartete dann der Anstieg zum Kyffhäuser. Nach der Hälfte des Anstiegs kamen die schnellen Fahrer entgegen “Oben ist Straßensperre”. Da wir eh schon fast oben waren, fuhren wir noch hoch, vielleicht gibt es wenigstens eine schöne Aussicht. Die Straßensperre stellte sich als ein Rettungshubschrauber heraus, der mitten in der  T-Kreuzung am höchsten Punkt gelandet war. “Wie weit ist es denn bis zum Unfall?” Der war dann gar nicht auf unserer Strecke, sprich wir hätten nur am parkende Heli vorbeifahren oder -schieben brauchen. Die Polizisten hatten aber kein Einsehen. “Wenn wir Euch durchlassen, wollen alle durch”. Also ein paar Meter zurück und 200 Meter durchs Unterholz.

Schon waren wir in der Abfahrt. Die machte nicht wirklich Spaß. Unzählige Motorradfahrer nahmen die Serpentinen im Renntempo. Einer überholte uns in der Abfahrt am Hinterrad. Kein Wunder, dass Darwin hier so oft zuschlägt.

In Sondershausen, bei km 125, dann der erste richtige Stopp am Supermarkt. Die nächsten 70 km waren recht unspektakulär. Große Felder und viele Windräder – wenigstens kam der Wind nun eher von hinten. Bei einem weiteren kurzen Halt buchten wir ein Hotel. Bei km 200 bogen wir in den Kanonenbahnradweg ein, was wenig Höhenmeter für die nächsten Kilometer versprach. Auf einem nagelneuen Radweg neben den Bahngleisen ging es bald in ein dunkles Loch. 1530 Meter war der Küllstedter Tunnel lang und das Hinweisschild kündigte Temperaturen von knapp unter 10 Grad an. Fröstelnd brachten wir dieses Highlight hinter uns. Vier weitere – deutlich kürzere – Tunnels folgten. Zwei letzte Hügel und mit der Dämmerung erreichten wir Eisenach. Zugegeben, der Tag war heftiger als erwartet. Wind und viele, viele kleine Hügel zehrten doch aus. Der Schnitt von 25,7 km/h war deutlich langsamer als erwartet.

Im Hotel gab es Frühstück. Allerdings nicht als Buffet wie üblich. Zwecks Corona-Wahnsinn mussten wir per Zettel bestellen und bekamen dann alles mit viel Plastikfolie an den Tisch serviert. Den Besuch der Wartburg sparten wir uns, da wir schon gehört hatten, dass man mit dem Fahrrad nicht ganz rauf darf. Die Extra-Höhenmeter auf Kopfsteinpflaster ließen wir aber auch so gerne aus.

Rennsteig rauf, auf der anderen Seite runter. Wieder rauf, wieder runter. Einige Stellen erkannte ich von meiner Rennsteig-Wanderung vor ein paar Jahren wieder. Nach 60 km waren wir schon fast vier (!) Stunden unterwegs. Und jetzt sollte es erst nach Oberhof rauf gehen. Was ist denn da los? Dass sich das mit den geplanten 300 km und 4500 Hm heute nicht ausgehen sollte, war abzusehen. Oben jeweils Temperaturen unter 10 Grad und unten kaum wärmer. Dann eine Schiebepassage zwecks Baustelle. Wenigstens die 400 Hm hinauf zur Sprungschanze und weiter zum Biathlon-Stadion waren leichter als erwartet.

Bei km 80 dann mit 900 Meter die höchste Stelle des Tages – nach 5 Stunden. 20 wellige Kilometer später ging es dann endlich mal wieder runter. Schon lange suchten wir nach einer Gelegenheit zum Essen, aber erst mussten wir noch den Anstieg nach Neuhaus hoch, wo es wenigstens eine geöffnete Tankstelle gab. Dass die Dame keinen Bock auf Arbeit am Pfingstsonntag hatte, war nicht zu übersehen. Fast schon mit schlechtem Gewissen störten wir ihre Lethargie und kauften Cola und Riegel. Nach der angebotenen Suppe traute ich mich gar nicht zu fragen. Wäre das Aufwärmen doch mit Zusatzarbeit verbunden gewesen. Immerhin kam jetzt die Sonne raus und in der Abfahrt fanden wir noch ein warmes Cafe, wo es leckeren selbstgebackenen Kuchen gab. “Wir fahren bis um 6, dann suchen wir ein Hotel” war der neue Plan. Das brachte uns bis Saalfeld und dort in eine Biker-Pension mitten in der Stadt.

Nach den Erfahrungen des Vortags gab es ein kleines Frühstück aus der Bäckerei. Landschaftlich waren die ersten Kilometer eher so lala, bis es dann zum Hohenwarte-Stausee ging. Ein paar Kilometer “fast wie am Gardasee” später und es warteten ein paar ordentliche Zacken. Nach 60 km wieder ein Schnitt unter 20 km/h und das, wo doch heute kaum noch Höhenmeter auf dem Programm standen.

Hunger machte sich langsam breit. Ah Dittersdorf – eigene Autobahnausfahrt, da gibt es bestimmt was. Fehlanzeige, denn kaum waren wir auf der einen Seite reingefahren, waren wir auf der anderen Seite schon wieder raus. 12 km und einige Kuhdörfer später wartete mit Zeulenroda eine Stadt. Aber die Gehsteige waren hochgeklappt. Pfingstmontag, Ausflugswetter. Wo sind die alle? Immerhin ein geöffneter Grieche, welcher aber suboptimal ist, wenn man noch radfahren muss und dazu auch kein Fleisch isst. Der Autohof in Triptis war somit das nächste Ziel. Dort gab es dann immerhin eine Käsesemmel, Erdnüsse, Riegel und Cola. Auch ohne Hungerast waren wir uns übrigens einig, dass man sich den Umweg auf die östliche Seite der A9 hätte sparen können.

Dafür wartete im Anschluss nach Stadtroda nun ein sehr schönes Stück. Eine Eisdiele war nun der Plan. Sowas Ähnliches fanden wir dann auch – ich möchte gar nicht näher darauf eingehen. Nur so viel: Unser kulinarisches Pech blieb uns die drei Tage treu. Ein letzter Berg und das Saaletal kam in Sicht. Unseren Tagesschnitt hatten wir noch auf sagenhafte 22,4 km/h hochgeschraubt und so waren wir nach siebeneinhalb Stunden endlich wieder am Auto.

Fazit: 535 km mit 7300 Hm in 23:10 Stunden Fahrzeit mit viel Standpausen und zwei Übernachtungen. Da ist noch Potential nach oben, aber ich war froh, das Ganze nicht am Stück unter die Räder genommen zu haben. Bei 5 Grad in der Nacht wäre das kein Spaß gewesen, froren wir am Tag teilweise schon genug. Landschaftlich war die Runde sehr abwechslungsreich – kulinarisch dagegen ein Reinfall. Das Format hat aber Potential. 500 km durch die Gegend ohne Startgebühr, ohne Wertung und ohne feste Regeln. Frank, vielen Dank. Es waren drei schöne Tage auf einer fordernden Strecke. Und Du hast mir da für die Zukunft was in den Kopf gepflanzt.

4 Kommentare zu “Bericht: Thüringen erfahren

  1. Frank

    Ich freue mich auf die Zukunft, auf das Resultat in deinem Kopf. Geht es doch darum Herausforderung und neue Entdeckungen zu kreieren und dazu einzuladen. Sehr schön, dass ihr da wart und die Reise unternommen habt. Kulinarisch hat Thüringen einiges zu bieten, aber dies ist nur schwer an die Strecke zu holen und fordert viel Zeit.

    1. Tom Autor des Beitrags

      Frank, ist schon klar und war auch nicht so ernst gemeint. Wenn Du an die falschen Leute und Lokalitäten kommst, dann kann man dieses Essenserfahrung wohl in ganz Deutschland machen.

      1. Frank

        Ja, vermutlich. Auf meinen Touren in Thüringen beklage ich das aber gern, da ich zum einen mag mich versorgen, verwöhnen zu lassen, zum anderen möchte ich damit unterstützen, Geld in der Nähe ausgeben. Aber die Kleinen und ‘schnellen’ Möglichkeiten sind fast nur noch Bäcker und Tankstellen, die aber bzgl. Esskultur wenig zu bieten haben. Ich vermisse in Thüringen die Kneipen, bspw. wie in Franken. Auch die haben sicher keine Verpflegung in der Nacht etc., aber es ist ein dichtes Netz auf eher dünn besiedeltem Boden.

  2. Schrottie

    Und falls Du doch im kommenden Jahr das Ding am Stück abreißen willst, sag Bescheid. Da wäre ich dabei. Durchfahren ist nämlich eine echt tolle Sache, auch wenn man weniger Landschaft sieht. Die Nacht ist schon etwas ganz Spezielles. 🙂

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