Meine Eindrücke vom
Lawinenunglück am Col Pic Emile

Am Nachmittag des 1. April 2015 kamen drei junge Bergsportler ums Leben, die wie wir auf einer Skidurchquerung des Ecrins-Massivs unterwegs waren. Sie gehörten zu einer Gruppe des Alpenvereins-Projekts “Junge Alpinisten“ und waren mit zwei unterstützenden Bergführern unterwegs. Die Gruppe war insgesamt zu elft.

Lawine am Col Pic Emile

Wir stiegen mit unserer Gruppe gerade vom Pic de la Temple auf den Glacier Noir ab, als wir die ersten Hubschrauber fliegen sahen. Als wir über den Gletscher abfuhren war unsere Vermutung, dass eventuell der Besitzer eines Zeltes gesucht würde, das wir am Gletscher fanden und dort wohl schon ein paar Tage stehen musste. Am nächsten Tag beim Aufstieg vom Refuge Cézanne zum Refuge des Ecrins kam uns eine ganze Reihe Skifahrer entgegen, die uns nahezu wortlos passierte. Auf der Hütte erfuhren wir dann, dass sich eben tags zuvor das Unglück ereignet hatte. Laut Hüttenwirt, seilte die ganze Gruppe ab und stand dann relativ eng zusammen, als sich unter der großen Last der Schnee löste. Da uns unser geplanter Aufstieg zum Dóme de Neige aufgrund des starken Windes und der unsicheren Schneeverhältnisse zu heiß wurde, stand auch für uns die Überquerung des Col Pic Emile an, nur eben von der anderen Seite.

Wir starteten kurz nach sieben und bereits nach einer Stunde standen wir am Plateau, von wo aus man einen guten Blick auf das Lawinenfeld, das Col und die Abrisskante hat. Da wir nicht sicher sein konnten, ob wir über die Kante kommen würden, sondierten Fabi und Andrè erst mal die Lage. Nach 50 Meter mit Ski zogen sie die Steigeisen an und stiegen hinauf zu Abrisskante. Diese war zwischen zwei und vier Meter stark und wir konnten einen ungefähren Eindruck gewinnen, welche Schneemassen da nach unten gegangen sein mussten. Wir warteten einstweilen weiter unten. Hier war unter einem 5 cm Harschdeckel nur lockerer Schnee zu finden. Die beiden oben versuchten rund 30 min einen Standplatz zu bauen, der für das Überklettern der überhängenden Abrisskante oder des Mixgelände auf der linken Seite notwendig gewesen wäre. Doch weder fanden die beiden etwas um Schlingen zu legen, noch um Eisschrauben einzubohren. Denn unter einem Deckel kam erneut nur Bruchschnee zum Vorschein. Da mittlerweile die Sonne so weit aufgegangen war, dass sie die Felsen über uns erwärmte, lösten sich immer wieder kleine Steine und flogen an meiner Stelle vorbei. Nach 45 Minuten brauchen wir dann unser Vorhaben ab.

Lawine am Col Pic EmileLawine am Col Pic Emile Abrisskante Lawine Col Pic Emile

Vom Plateau ein paar Meter weiter betrachteten wir nochmal das Gelände. Die Aussage des Hüttenwirts war für uns nachvollziehbar, denn da alle elf wohl von der Lawine erfasst wurden, konnte noch keiner zu dem sicheren Plateau ein paar Meter weiter gefahren sein. Und scheinbar war die große Anzahl an Personen an der Stelle dann doch zu viel in diesem steilen Gelände. Aber wie es eben oft so ist: Passieren vor einem andere Skifahrer eine Stelle, so nimmt man sie als vermeintlich sicher ein. Und hinterher ist man eh immer schlauer.

Im Tal trafen wir dann später noch Michael Larcher (vielen bekannt aus der bergundsteigen), der zusammen mit Lisi Steurer für den OeAV die Umfallstelle untersuchte. Die beiden mussten an diesem Tag einen Job machen, den man sich echt nicht wünschen kann. Im Auto hatten sie auch die Rucksäcke der Verunglückten. Eine grausame Vorstellung.

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2 Antworten

  1. Sonja Ostermayer sagt:

    Danke für den Bericht, ich habe alles was mir lieb und wert war unter dieser Lawine verloren! Mein Sohn (mein einziges Kind) war einer der verunglückten „jungen Alpinisten. Ich frage mich jeden Tag, wie das hat passieren können! Es herschte Lawinenstufe 3 um 8h morgens (denke es war um 14h45 sicher Lawinenstufe 4) am 1.4.2015 und ca 80km/h Windstärke, und wie du schreibst, war der Platz zu klein für 9 junge Alpinisten und zwei „Bergführer“!
    Den Rucksack und die Schischuhe die du im Auto vom Alpenverein gesehen hast, war alles was ich am Nachmittag des 2.4.2015 von Frank mit heimnehmen konnte, nach dem ich meine toten Sohn im Leichenschauhaus in Briacion identifiziert habe!
    Pass auf dich auf und Berg Heil!
    Sonja Ostermayer

    • Tom sagt:

      Liebe Sonja, ich weiß nicht, was ich da schreiben soll. Es war eine Aneinanderkettung unglücklicher Umstände, doch was hilft einem das, wenn man das Liebste verloren hat? Ich wünsche Dir ganz viel Kraft und hoffe, dass Du im Verwandten- und Freundeskreis Halt findest.

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