Bericht: Jämtland Outdoor Experience (JOE)
Seit meiner Jugend habe ich mir immer vorgenommen, irgendwann mal zum Wandern nach Skandinavien zu fahren. Doch Trekking im Norden war irgendwie nicht so recht kompatibel mit Triathlon, denn die ideale Reisezeit ist gleichzeitig Wettkampfsaison. Dieses Jahr war es ein wenig anders und mit der Einladung zur Jämtland Outdoor Experience war der Entschluss schnell gefasst, die Tri-Saison früher zu beenden und lieber im Anschluss noch läuferisch aktiv zu werden.
Anmerkung: Die Jämtland Outdoor Experience ist eine Art Schulungsreise für Einzelhändler, die von den Firmen Hilleberg, Klättermusen, Lundhargs und Woolpower organisiert wird. Alle Teilnehmer bekommen Leihausrüstung der Hersteller (Unterwäsche und Socken von Woolpower durften anschließend behalten werden), einen Teil der Verpflegung und die Transfers ab Östersund. Anreise und gut die Hälfte der Verpflegung mussten die Teilnehmer selbst übernehmen. Ich war als Blogger zu den gleichen Konditionen dabei.
In der Bestätigungsmail nach der Anmeldung stand etwas von „Möglichkeit, die Testteile im Anschluss günstig zu erwerben“ und Besuch mit Einkaufsmöglichkeit im Outlet von Lundhargs. Späße von wegen Kaffeefahrt machten schon die Runde. Essen war selbst zu besorgen und auch für die Gaskartuschen gäbe es vor Ort Kaufmöglichkeiten. Dazu hatte ich rund 400 Euro für Flugtickets gelöhnt. Ganz sicher war ich mir nicht, ob ich da die richtige Entscheidung getroffen hatte.
Während ich in Östersund aus dem Flieger stieg, gingen die Turbinen aus und es war schlagartig ruhig. Kein weiteres Flugzeug war da und neben uns rollten schon das Gepäck in Richtung Ankunftshalle. Dort eine Begrüßung aller Teilnehmer. Fast alle kamen wir mit der gleichen Maschine und vielen sah man dort am Outfit schon an, dass wir wohl die nächsten Tage zusammen verbringen würden. Mit dem Reisebus fuhren wir das kurze Stück zu Hilleberg, wo wir dann alle offiziell begrüßt und in das Programm der nächsten Tage einführt wurden. Recht schnell wich meine anfängliche Skepsis. Bei einer kurzen Vorstellungsrunde stellte sich dann auch heraus, dass ausser Wanderblogerin Bianca, Tina von Hello Mountains und mir, nur Einzelhändler dabei waren. Eingeteilt wurden wir in vier Teams. Neben Zeltbuddy Lukas, würde ich noch mit Anna und Claudia aus Zürich, sowie Amanda und Thor aus Dänemark unterwegs sein. Dazu täglich wechselnd zwei Mitarbeiter der beteiligten Firmen, die uns morgendlich immer eine Stunde mit dem notwendigen Wissen zu ihrem Unternehmen versorgen würden.
Als nächstes bekamen wir eine Einführung, wie man die Zelte richtig aufbaut und was die Zelte von Hilleberg so besonders macht. Für die kommenden Tage würde unser Behausung täglich wechseln, um die Unterschiede der einzelnen Modelle kennenzulernen. Zusätzlich würde es für jede Gruppe noch ein „Altai“ als Aufenthaltszelt geben – dass der Rucksack also nicht leicht werden würde, war somit schnell klar.
Weiter zur Einkleidung und ausser den Teilen von Woolpower passte alles auf Anhieb. Reichlich groß erschienen mir die Stiefel von Lundhargs. Mehrmals wurden wir angehalten, ja genug tapen und zwei paar Socken übereinander anzuziehen. So von wegen – neue Schuhe und Blasen.
Für den ersten Abend wurden wir nun an einen Badestrand am Storsjön gekarrt und zum letzten Mal für die nächsten Tage bekocht. Bei einem wunderbaren Sonnenuntergang war nun Zeit für die ersten Gespräche und schnell zeigte sich, dass wir die nächsten Tage viel Spaß im Team haben würden. Am nächsten Morgen packten wir nun alle den Rucksack nochmal ordentlich. Überflüssiges Material blieb in der Reisetasche und konnte in einem Anhänger verstaut werden. Wir teilten uns die Ausrüstung auf und ich übernahm die Zelthaut des Gruppen- und unseres Zweierzelts. An der Waage dann die Gewissheit, dass ich wohl den schwersten Rucksack meines Lebens zu tragen hätte. 19,6 kg sind nochmal 5 kg mehr, als das, was ich im Winter auf Mehrtagesskitour dabei habe. Aber Zelte und Essen für 4 Tage wiegen eben. Wenigstens braucht man in Schweden nicht mehr als einen halben Liter Wasser, denn überall gibt es Möglichkeiten zum nachfüllen.
Wieder in den Bus und ab nach Järpen, der Firmenzentrale von Lundhags. Dort bekamen wir die Serviceabteilung zu sehen, wo fünf Schuster Reparaturen an Schuhen durchführen, neue Sohlen aufkleben, Änderungswünsche durchführen oder Einzelschuhe nach Maß fertigen. Die Produktion selbst findet, wie auch bei Hilleberg oder Klättermusen, im europäischen Ausland und Fernost statt. Im großen Fabriksverkauf blieb dann leider fast zu wenig Zeit, denn es gab wirklich alles, was das Outdoorherz begehrt.
Gegen Mittag fuhren wir weiter zum Start unserer Trekkingtour. Als „Teamleader of the day“ durften Lukas und ich gleich mal die Gruppe anführen und den richtigen Weg suchen. Die Orientierung fiel aber, dank zweier kleinen Flüssen und einem Trampelpfad, nicht weiter schwer. Nach 90 Minuten hielten wir bereits zur Mittagspause und wir warfen die Kocher an. Robin „Crocodil Dundee“ und Emil von Hilleberg bauten währenddessen rasch zwei Zelte auf und nach dem Essen wiesen sie uns nochmal in die Unterschiede der einzelnen Produktlinien ein.
Interessant wurde es anschließend, als zum ersten Mal eine Flußquerung anstand und eine geeignete Stelle gefunden werden musste. Nachdem diese gemeistert war, wurde das Gelände offen, die Baumgrenze war überschritten und die Wegwahl orientierte sich nur noch am Gelände, denn es gab schlicht keinen Weg mehr. Spätestens hier wurde jedem klar, warum die Skandinavier andere Wanderstiefel bauen. Bei jedem Schritt sanken wir knöcheltief in Wasser oder Schlamm ein und mit meinem alpinbewährten Hanwag Alaska GTX wäre ich ganz schnell am Ende gewesen. Die Kombination Gummistiefel mit angenähtem Lederschaft ist hier eindeutig im Vorteil und ich lernte meine Lundhags Mira lieben, auch wenn ich nicht vollen Halt darin fand. Am Ende der Tour erzählte auch niemand, dass es nasse Füße gegeben hätte.
Bereits als wir starteten zogen die ersten Wolken auf. Das Spiel von Sonne und Wolken änderte das Gesicht der Landschaft ständig und ließ die Stimmung ständig wechseln. Am Nachmittag fielen dann die ersten Tropfen und als wir den Lagerplatz zwischen zwei kleinen Seen erreichten, regnete es sich langsam ein. So schnell es ging stellten wir die Zelte auf, waren wir ja eh schon die letzte Gruppe. Für ein kleines Bad im See konnten sich die wenigsten begeistern und auch ich hüpfte nur kurz rein um den Schweiß des Tages loszuwerden. Die Gruppenzelte der anderen standen weit verstreut und so verbrachten wir den Abend im Team, während es von oben mehr und mehr aufs Zeltdach prasselte.
Am Morgen hatte der Regen wieder aufgehört, doch alles war feucht und die beiden nassen Zelte machten den Rucksack wohl nochmal um ein Kilo schwerer. Aus unserem Team Hilleberg wurde das Team Woolpower. Woolpower Vertriebschef Pål, sowie Export Sales Managerin Eva wurden unsere Begleiter. Zum zweiten Frühstückskaffee bekamen wir viel von der Firmenphilosopie zu hören und bemerkenswert für mich vor allem, dass sich die komplette Produktion in Östersund befindet.
Ein sehr spaßiger Tag stand uns bevor. Der trockene Humor von Pål brachte mich oft zum lachen und Eva entpuppte sich als regelrechter Sonnenschein. Als Tageshighlight sollte es heute eine „anständige“ Flußdurchquerung geben, die wir allerdings erstmal finden mussten. Denn nachdem wir einen Sattel überquert hatten und wieder abgestiegen waren, tauchten wir wieder in Bäume ein. Die Wegfindung wurde schlagartig schwerer. Am Ufer verpackte ich diesmal alles Wichtige wasserdicht und stapfte als Erster los. Die Strömung war dann doch nicht so stark wie befürchtet und auch das Wasser reichte maximal bis zum Knie. Zum Aufwärmen kochten wir dann wieder Kaffee. 🙂
Ein kurzer Schauer bescherte uns einen wunderschönen Regenbogen. Natürlich waren wir bereits wieder die Schlußlichter als wir unsere Rucksäcke schulterten. Bevor wir nun einen ausgeschilderten Wanderweg erreichten, mussten wir noch ein Moor queren, wo wir bei jeden Schritt wieder sehr weit einsanken. Begleitet von ein paar Rentieren erreichten wir dann eine kleine Schutzhütte an einem Fluß, wo wir unsere Zelt aufbauten. Apropos Rentiere. Amanda war von einem gefundenen Rentiergeweih so begeistert, dass sie es unbedingt mit nach Hause nehmen wollte. Geschätzt 3 Kilo Extragewicht dürfte ihr Rucksack so bekommen haben.
Der Abend im Altai war sehr unterhaltsam und aus unserer Gruppe wurde nun mehr und mehr wirklich ein Team. Die Nacht war sternenklar und so konnten wir im Freien frühstücken und auch die morgendliche Schulung erfolgte in der Sonne. Lundhags war heute dran, Johan und Eva unsere Begleiter für den Tag. Die höchste Stelle der Tour erwartete uns heute, der Sattel mit 1600 Meter aber in leichtem Gehgelände zu erreichen. Es gab halt nur wieder keinen Weg und jede Gruppe nahm einen anderen Weg. Oben dann Mittagessen und gemeinsames Gruppenbild vor grandioser Kulisse.
Beim Abstieg knickte dann Amanda um und verletzte sich am Sprunggelenk. Richtig schlimm kaputt wohl nichts, so teilten wir ihr Gepäck auf und sie humpelte mit Thors und Johans Hilfe weiter. Der Rest unserer Grupe schloss sich den anderen an, um am Lagerplatz schon mal mit dem Zeltaufbau zu beginnen. Zuvor wurde es aber erst noch steil. Direkt am Fuß des Silverfallet campten wir und taten uns im Unterholz fast ein wenig schwer, genug geeignete Plätze für die Zelte zu finden. Die Gruppen mischten sich so für den Abend auch ein wenig durch.
Es folgte bereits die letzte Nacht im Zelt. Am Morgen dann die Einweisung von Klättermusen durch Sven (from Sweden) und CEO Gonz. Letzterer hatte mich schon durch seine Kaffeemühle auf seiner Seite. 😉 Anschließend die Feedbackrunde zu den Produkten. Wir hatten kein Teil dabei, das irgendwie negativ auffiel. Die Merinoteile von Woolpower waren die Lieblinge von allen und ich muss sagen, dass sie besser funktionieren, als alles, was ich in der Richtung bisher hatte. Allerdings ist der Fokus auch auf Funktionalität gerichtet und das Design steht hinten an. Der Ansatz ist halt komplett anders als bei Icebreaker, Ortovox oder Kaipara. Mit den Stiefeln von Lundhargs kamen alle Teilnehmer relativ gut klar, die Anzahl der Blasen hielten sich wirklich in Grenzen. Auch ich hatte nur auf der Oberseite vom großen Zeh eine, was wohl eher davon kommt, dass der Schuh ein wenig zu groß war. Aber da ich weiß, wie das Ganze mit meinem Hanwag geendet hätte, würde ich diese Blase wieder gern in Kauf nehmen. Für den Rest der Ausrüstung gab es kleine Verbesserungsvorschläge, doch wirkliche Mängel stellte niemand fest, was bei so einen Fachpublikum wohl auch nicht selbstverständlich ist.
Fünf Kilometer bis zur Enaforsholm Mountain Lodge hatten wir nun noch und es sollten die abwechslungsreichsten der ganzen Tour werden. Ich konnte mich an dem wechselnden Farbspiel kaum satt sehen, das das wechselnde Licht zauberte. Hochmoorstücken wie im Bayerischen Wald (halt nur ein Vielfaches größer) folgten Birkenwaldpassagen und wieder Nadelwald.
Direkt vor der Unterkunft dann die letzte Flußquerung, für die ich dann gleich die Stiefel anbehielt. Drüben gab es das verdiente Belohnungsbier in der Nachmittagssonne. Dann Kleider- und Ausrüstungsrückgabe, Sauna und ein spitzenmäßiges Abendessen. Lange in die Nacht feierten wir und wäre nicht für den nächsten Tag ein weiteres Programm angestanden, hätten manche wohl die aufgehende Sonne erlebt.
Auf dem Rückfahrt nach Östersund hielten wir noch in Åre bei Klättermusen an, wo die Entwicklungs- und Kundendienstabteilung in einem Bürokomplex versteckt war. Auch hier hörten wir viel über die Firmenphilosopie und über das doch etwas andere Design.
In Östersund folgte ein Besuch im „Sports Tech Research Center“. Angegliedert an die „Mid Sweden University“ wird hier viel geforscht, für die Firmen Werkstoffe untersucht und die Belastungsgrenzen erkundet. Neben dem natürlich spektakulären Besuch im Windkanal hat mich vor allem das Testgerät für die Wasserdichtheit beeindruckt. Auf gerade mal 3000 mm war das eingestellt und zeigte, dass höhere Werte eigentlich nur Verkaufsgags sind und für die Funktion (selbst bei Zelten) keine Auswirklung mehr haben.
Direkt gegenüber im Peak Region Science Park hörten wir dann von Joel Svedlund noch viel über Nachhaltigkeit, Umweltsiegel und Verantwortung. Neu war für mich der Begriff von „Greenhashing“, sprich man tut viel für die Umwelt und redet zu wenig darüber. Also genau das Gegenteil von Greenwashing. Wobei ich da wirklich schmunzeln musste. Hatten wir doch die Tage zuvor gehört, was die beteiligten Firmen alles tun, um umweltfreundlichere Produkte zu entwickeln – aber eben ohne das an die große Glocke zu hängen. Skandinavisches Understatement? Keine der beteiligten Firmen verwendet PFC-Membrane, nicht einmal habe ich das Logo von Gore entdeckt. Alle setzen mehr und mehr auf recyelte Kunststoffe, auf faire Fertigungsprozesse und möglichst schonende Herstellungsverfahren. Dinge, die man ohne Prüfsiegel halt glauben muss. Wobei alle Firmenvertreter, die ich so kennenlernen durfte, für mich ungeheuer glaubwürdig waren. Alle sind seit Jahren in ihren Unternehmen, stehen voll hinter dem was sie tun und hinter ihrer Marke. Das auf eine Art und Weise, die so angenehm unaufgeregt ist. Und dann sind auch noch Firmen vertreten, die eigentlich direkte Konkurrenten sind. Wäre sowas in Deutschland denkbar? Eher nicht. „Kein Produkt ist im Normalfall nur schlecht oder nur gut“ blieb auch noch hängen. Es wäre sicher Augenwischerei zu glauben, es gäbe das perfekte und umweltfreundliche Produkt. Der Weg ist lang, doch der Weg ist bekanntlich das Ziel und diese vier Firmen wollen ihn gehen, das haben wir alle gemerkt.
Auf dem straffen Zeitplan stand dann noch der abschließende Besuch bei Woolpower, wo wir die komplette Fertigung anschauen durften. Alle Produkte werden in Östersund durch rund 120 Mitarbeiter gefertigt, was zugegebenerweise bei Strickprodukten auch einfacher geht, als bei komplexen Kunststofftextilien, wo das Know-How teilweise im Land nicht mehr vorhanden ist. Im angegliederten Shop schlug ich dann natürlich auch noch zu. Schon eine Stunde später am Flughafen in Östersund, bzw. in Stockholm trennten sich dann die Wege.
Fazit: Diese fünf Tage werden mir wohl lang in Erinnerung bleiben. Zum einen hatten wir ein wirkliches Dreamteam und zum anderen hat mich die abwechslungsreiche Landschaft nachhaltig beeindruckt und Lust auf mehr gemacht. Die beteiligten Firmen haben mir vor Augen geführt, dass sie Umweltschutz und Nachhaltigkeit leben und nicht nur als „sales fact“ sehen. Hier ticken die Uhren einfach ein wenig anders als in Deutschland. Alles ist entspannter, offener und ruhiger. Trekking funktioniert hier komplett anders. Da es weit weniger Steigungen gibt, spielt das Gewicht nicht so die maßgebliche Rolle. Dafür dürfen die Produkte dann eben langlebiger, robuster und komfortabler sein.
Ach herrlich, das hört sich wirklich nach einem schönen Spätsommer Trip an. In der Woolpowerfabrik waren wir ja auch schon mal, die fleissigen Strickmaschinchen fanden wir großartig: http://www.nordicfamily.de/ein-besuch-bei-woolpower-in-oestersund-eine-bildreportage/ herzliche Grüße von der nordicfamily Geertje
Sehr schöner blogpost. Thank you for being a part of our group 🙂 We had a lot of fun.